Interview: »So wird Stroh tatsächlich Gold wert!«

  • Anbietendes Unternehmen

  • Das Forschungsprojekt StrohGold beschäftigt sich in einer Grundlagenforschung mit der Entwicklung eines lasttragenden Mauersteins aus Stroh - dem StrawBrick -, der im nächsten Schritt innovative Bauweisen mit ökologischem, ökonomischem und sozialem Mehrwert ermöglicht.

    Innovationsschaufenster:

    Wie kam es zu diesem Forschungsprojekt?

     

    Katharina Elert:

    Das ökologische Bewusstsein der Gesellschaft steigt stark und mit der geforderten Implementierung nachhaltiger Strategien im Gebäudesektor werden Chancen für bisher ungewohnte Bauweisen wie das Bauen mit Stroh eröffnet. Gerade in Zeiten stark steigender Baupreise und verknappender Rohstoffe besticht die lasttragende Strohbauweise durch ihr kostengünstiges und regional ausreichend verfügbares, erneuerbares Grundmaterial mit einer hohen Wärmedämmfähigkeit. Auch Umweltindikatoren wie die Energiebilanz des Baustoffs zeigen über den gesamten Lebenszyklus viel günstigere Werte als bei konventionellen Baumaterialien. Das klassische Strohballenmauerwerk birgt allerdings größere bautechnische Herausforderungen und erfordert auf Kosten wertvoller Nutzfläche enorme Wandstärken. Durch die Entwicklung einer lasttragenden Strohleichtbauweise sollen diese Nachteile aufgehoben und so die positiven Eigenschaften des Baustoffs in vielfältigerer Weise nutzbar werden.

     

     

    Innovationsschaufenster:

    Wie sind Sie in der Grundlagenforschung vorgegangen?

     

    Katharina Elert:

    Zu Beginn der Forschung wurde schnell klar, dass v.a. zwei grundsätzliche Fragen beantwortet werden mussten, um die Tragfähigkeit und Steifigkeit bei reduziertem Materialeinsatz zu erhöhen und damit eine höhere Schlankheit zu erzielen: Wie können wir die Dichte erhöhen? Die Dichte spielt nämlich eine große Rolle für die Festigkeit. Und wie erreichen wir einen Zusammenhalt zw. den Strohhalmen? Dafür wurde ein Pressverfahren entwickelt und das Einarbeiten kompatibler Materialien getestet. Die Bandbreite der Ansätze mit den Studierenden ging vom Experiment mit zusammengenähten, gewickelten Strohmatten, die eine erstaunlich hohe Druckfestigkeit erreicht haben, bis zur Verpressung gehäckselter Strohhalme. Wir haben unterschiedliche Ansätze ausprobiert und die, die zu aufwändig und zu abhängig von intakten Strohhalmen waren, aussortiert. Denn das Potenzial liegt ja in einer möglichst vollständigen Verwertung der Ressource und nicht in einer Auswahl geeigneter Halme.

    Die Zugabe von Bindemitteln macht eine vollständige Verwertung erreichbar, birgt aber auch Herausforderungen. Fügt man bspw. pflanzliche Stärke hinzu, benötigt diese auch recht viel Wasser, was die Gefahr von Schimmel- oder Rissbildung erhöht. Ein anderer Ansatz ist die Nutzung des im Stroh vorhandenen Lignin als Bindemittel zu nutzen. Das verflüssigt nämlich bei einer gewissen Temperatur, die wir experimentell bestimmt haben, und kann eine Formstabilität erzeugen. In der nächsten Stufe wurde zusätzliches Lignin, das v.a. in der Papierindustrie als Nebenprodukt anfällt, zugefügt, was höhere Druckfestigkeiten ermöglicht. Daraus kann man wiederum Mauersteine aus Stroh  – die StrawBricks – in verschiedenen Größen herstellen, die als Leichtbaulösung bspw. in Verbindung mit Holzdecken gut einsetzbar sein könnten. Die Mischungen dieser Ansätze sind biologisch abbaubar und würden bei einer späteren Verwertung bspw. als Düngemittel keine schadhaften Spuren hinterlassen.

     

     

    Innovationsschaufenster:

    Ihr habt kürzlich eine Ausstellung dazu gezeigt, in der die Ideen der Forschung schon ziemlich real aussahen…

     

    Katharina Elert:

    In einem Seminar haben wir mit Studierenden basierend auf den entwickelten Rezepturen unterschiedliche Formate für den StrawBrick entworfen. Die Form sollte Wärmebrücken durch Mörtel sowie Luft- und Winddurchlässigkeit verringern, aber auch die Stabilität des Mauerwerks fördern. Auch hier kann man schnell sehen, dass verschiedene Ansätze wie das Duplo-ähnliche oder das bewehrte Nut- und Feder-System alle ihre eigenen Potenziale haben und eine Vielfalt von Lösungen möglich ist.

     

     

    Innovationsschaufenster:

    Das heißt, dass die offene Herangehensweise an die Forschungsfrage darin geholfen hat, durch verschiedene Ansätze einen erfolgsversprechenden Weg aufzuzeigen, den Ihr nun wie weiterverfolgt?

     

    Katharina Elert:

    Der Vorteil ist, dass Stroh regional in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Natürlich werden wir damit keine Hochhäuser bauen, aber wenn man das Bauen mit »StrawBricks« in Bezug auf klassische Einfamilienhäuser bzw. Strukturen mit 1-3 Stockwerken denkt, kann das durchaus eine Alternative zum herkömmlichen Mauerwerk sein, die noch dazu durch die nachwachsenden Rohstoffe nahezu klimaneutral ist. Oder für Aufstockungen im urbanen Raum, wo die Höhe des zusätzlichen Gewichts und deren Lastabtrag eine große Rolle spielen. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass damit voraussichtlich monolithisch gebaut werden kann; das Stroh würde also tragen und gleichzeitig dämmen. Wie bei üblichen Konstruktionen kann die Wand mit einem Lehm- und Kalkputz bekleidet werden. Erste Prototypen haben gezeigt, dass durch die Strohsteine eine glatte Oberfläche entsteht, die aber gleichzeitig so rau ist, dass auf einen Putzträger verzichtet werden kann.

    Später soll eine deutlich verbesserte Gesamtperformance erreicht und damit idealerweise die Realisierbarkeit und bauaufsichtliche Zulassung verschiedener, auch mehrgeschossiger Bautypologien ermöglicht werden. Denkt man das System noch einen Schritt weiter, könnte man aus dem Strohbaustoff – wie im Holzbau – ganze Wände wettergeschützt vorgefertigen und zur Baustelle liefern, um die Bauzeit und Wetterabhängigkeit zu reduzieren. Durch das Verarbeiten regionaler Rohstoffe können zudem mittelständische Unternehmen gefördert und durch kurze Transportwege Kosten gespart werden.

     

    Das Forschungsprojekt wird über das Bundes-Innovationsprogramm von »Zukunft Bau« gefördert.

  • Ort

    Belvederer Allee 1

    99425 Weimar

  • Link zum Angebot

  • Kontakt

    Katharina Elert M.Sc., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bauhaus-Universität Weimar

    Forschungsprojekt StrohGold im Rahmen der Professur Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre

  • Datum

    Angebot vom 5. April 2024, 8:36 Uhr
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